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Die Geschichte des W123

Die Entwicklung begann bereits 1968

Bereits kurz nach der Präsentation der Baureihe W114 / 115 („Strichacht“) begann man im Jahr 1968 bei Daimler-Benz mit der Entwicklung des zukünftigen neuen „kleinen“ Mercedes.

Das Lastenheft sah hierbei keine radikale Neukonstruktion vor, vielmehr sollte das Fahrzeug in allen Punkten weiter verbessert werden.
Dabei lag das Hauptaugenmerk auf der Erhöhung der aktiven und passiven Sicherheit. 

Stilistisch orientierten sich die Konstrukteure an der 1972 vorgestellten S-Klasse, Baureihe W116. Durch die akribische Arbeit der Ingenieure entstand ein Fahrzeug, das vom Start weg ein Verkaufsschlager werden sollte. Rückblickend spielte für diesen Erfolg sicher auch die ausreichende lange Zeit ein Rolle, während der die Neuentwicklung W123  „reifen“ durfte. Nicht einmal seitens des Vertriebs gab es Zeitdruck, der Auftragseingang für den Vorgänger „Strichacht“ entwickelte sich nach der Modellpflege derart gut, dass fast ein knappes Jahr lang, bis in den Herbst 1976 hinein, beide Baureihen parallel vom Band liefen.

Weiterentwicklung von Bewährtem, Kurswechsel bei den Motoren wegen Ölkrise

Auf dem Fahrwerksektor waren nur wenige Änderungen erforderlich – hier war bereits im „Strichacht“ die alte „Eingelenk-Pendelachse“ zugunsten einer zeitgemäßen „Diagonal-Pendelachse“ aufgegeben worden.

Bei der Benzinmotoren-Entwicklung sah der Daimler-Benz Vorstand zunächst neuartige Rotationskolbenmotoren (Wankelmotoren) sowie alternativ den ausschließlichen Einsatz einer neu zu konstruierenden Sechszylinder-Motorenbaureihe vor.
Gelegentlich wurde auch über den Einbau eines V8-Motors, zumindest in der Coupé-Ausführung, nachgedacht. Nach der „Ölkrise“ 1973 wurden diese Pläne jedoch alle fallen gelassen und man besann sich auf das bisherige Motorenprogramm – lediglich der M123 im 250 konnte als Neuentwicklung vorgestellt werden.

Bei den Dieselaggregaten änderte sich zunächst nichts, die vier Varianten 200D, 220D, 240D und 300D wurden unverändert übernommen.

Somit konnte der W123 zum Zeitpunkt seiner Vorstellung zwar mit keinen revolutionären Neuerungen aufwarten, aber es war gelungen, ein Fahrzeug zu konstruieren, das zur damaligen Zeit das absolute Maximum an Sicherheit und technischer Perfektion darstellte. In den W123 wurden Sicherheitsfeatures und Bedienungserleichterungen integriert, die z.T. noch 20 Jahre später bei manchem Konkurrenzfahrzeug fehlen.

Hier einige Punkte der Serienaustattung

  • versenkte Gurtführungen mit an den Sitzen statt am Fahrzeugboden angebrachten Gurtschlössern
  • Sicherheitslenksäule mit verformbarem Wellrohr
  • bei Ausschalten des Fahrlichts automatisch mit abschaltende Nebelschlußleuchte
  • automatisch ver- und entriegelnde Vordersitzlehnen bei den Coupé-Modellen
  • Kraftstofftank und Batterie außerhalb des Verformungsbereichs der Karosserie-Knautschzonen
  • Temperatur der Wagenheizung für Fahrer und Beifahrer getrennt regelbar
  • selbständig abschaltende Heckscheibenheizung
  • Türgriffe mit Massenausgleich gegen selbsttätiges Öffnen bei starker Querbeschleunigung
  • Aerodynamisch optimierte Schmutzwasserabführung im Bereich der Seitenscheiben
  • Doppelt abdichtende Türunterkanten gegen Verschmutzen der Türeinstiegsbereiche
  • Warndreieck an der Innenseite des Heckdeckels angebracht
  • Bremsbelag-Verschleißanzeige mit Warnleuchte im Kombiinstrument

Weltweite Fahrerprobung und erfolgreiche Premiere

Nachdem die ersten handgefertigten Prototypen für die Fahrerprobung 1974 fertiggestellt waren, wurden mit diesen in Nord- und Südamerika, Afrika, Schweden und in den Alpen unzählige Kilometer abgespult. Bereits im Sommer1975 wurde im Werk Sindelfingen ein Pilotband für die Produktion der ersten W123 eingerichtet, an denen – damals ein neues, modernes Konzept – die Mitarbeiter auf das neue Fahrzeugmodell geschult und die Abläufe geprüft und trainiert werden konnten.

Wie die Entwicklung des ganzen Fahrzeugs, war auch die Präsentation und der Verkaufsstart generalstabmäßig geplant. Der Fachpresse wurden die neuen Fahrzeuge Ende Januar 1976 in Südfrankreich vorgestellt. In der Nähe von Bandol, rund um und auf Teilen der heutigen Formel1-Rennstrecke „Le Castellet“ waren die Vertreter der Presse eingeladen, die neuen Fahrzeugmodelle ausführlich zu begutachten und Probe zu fahren.

Wenige Tage später waren dann in Sindelfingen hunderte Mitarbeiter der Niederlassungen und Mercedes-Benz Händler zur Präsentation geladen, und durften ihre ersten Vorführ- und Ausstellungsfahrzeuge im Anschluss gleich selbst auf eigener Achse nach Hause fahren.

Hohe Nachfrage, lange Lieferzeiten und "Schmuser" zum Schichtende

Trotz der in der Presse zuweilen kritisierten „Ähnlichkeit mit dem Vorgängermodell“ wurde der W123 nach seiner Präsentation sofort zum Erfolg. Die Wartezeit für den Besteller eines Modells der Baureihe stieg sofort auf über zwei Jahre an. Die Werksangehörigen konnten ihre Jahreswagen mit 10000 Kilometern auf dem Tacho noch über dem Listenpreis für Neufahrzeuge verkaufen (bzw. versteigern) – aus heutiger Sicht unvorstellbar. Vor den Werkstoren wurden sie nach Schichtende von Händlern – den sogenannten Schmusern – umgarnt, die mit gefüllten Geldkoffern und bereitstehenden Abschleppwagen versuchten, einen der begehrten 123er zu ergattern.

Auch wenn also eigentlich nicht akut notwendig, wurden die Fahrzeuge der Baureihe 123 laufend weiter verbessert. Die Änderungen, die im Laufe der Zeit vorgenommen wurden, aufzulisten, würde Bücher füllen. Es gibt jedoch zwei recht umfangreiche sogenannte „Modellpflegemaßnahmen“, bei denen mehrere Änderungen zu einem Paket zusammengefasst und der Öffentlichkeit präsentiert wurden, während die Verbesserungen in der laufenden Produktion im Verborgenen stattfanden.

1. Modellpflege im September 1979:

  • neues Lenkrad entsprechend der neu vorgestellten Baureihe W126
  • neue Innenausstattung, u.a. mit geänderten Kopfstützen und Polsterstoffen
  • Edelholzeinlage bei den Coupé-Modellen in Zebrano statt Wurzelnuß
  • neue Lackfarben
  • pneumatische Leuchtweitenregulierung
  • Leistungssteigerung 300D / TD und 250 / T
  • geänderte Gurtschlösser
  • geänderte Bremsanlage mit höherer Standzeit
  • verlängerte Kundendienstintervalle

2. Modellpflege im September 1982:

  • neue Polsterungen und Lackierungen
  • Bodenbelag Velours bei allen Polsterarten (280E/CE/TE, 300TDT und Coupés)
  • Servolenkung bei allen Modellen serienmäßig
  • Rechteckscheinwerfer bei allen Modellen
  • Geänderte Fensterkurbeln und Türverkleidungen mit Stoffeinsatz
  • Zebrano-Holzeinlage im Armaturenbrett bei allen Modellen
  • größere Innenbeleuchtung mit Verzögerungsschaltung
  • Economy-Anzeige im Kombiinstrument
  • Geänderte Vordersitzlehnen und Sitz- und Lehnenflächen komplett in Stoff
  • Schmutzabweisblenden in geänderter Form, um Windgeräusche zu reduzieren

Die tiefgreifendste technische Änderung erfuhr der W123 mit dem Einsatz zweier neuer Vierzylinder-Benzinmotoren im Jahre 1980, welche die veralteten, noch auf Konstruktionen aus den frühen 50er Jahren basierenden Vergasermotoren vom Typ M115 ablösten.
Mit diesen effizienteren und durchzugstarken Motoren gelang es Daimler-Benz nun erst recht aus der Baureihe W123 ein Erfolgsmodell zu machen. Gerade der 230E konnte sich – trotz zwei Zylindern weniger – gegen den Hauptkonkurrenten, den BMW 525 durchsetzen.

Allerdings konnte auch die zweite große Modellpflege im Herbst 1982 nicht verhindern, daß die Baureihe gegenüber den Fahrzeugen der Mitbewerber zunehmend „alt“ aussah, erst recht nicht, nachdem man noch im gleichen Jahr in Form des W201 einen deutlich moderneren Mercedes auf den Markt brachte.
Interne Auswertungen zeigten, dass nicht wenige Neufahrzeugkäufer statt eines 200 oder 230E auf den kleinen „Neuen“ wechselten, der bei fast gleichem Preis eher etwas agiler, aber deutlich sparsamer mit dem Kraftstoff zu fahren sein sollte. So fielen die Produktionszahlen 1983 um über 25%.  Die Nachfrage dämpften zudem sicher auch die ersten Erlkönig-Bilder des Nachfolgers W124, die ab 1983 immer öfter in den Fachzeitschriften erschienen.

Nach dessen Vorstellung im Dezember 1984 lief die Produktion der Baureihe 123 in Sindelfingen noch bis November 1985. Die wirklich letzten 123er liefen als T-Modelle im Januar 1986 im Werk Bremen vom Band. 

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